Muss ein Grafikdesigner kreativ sein?

6. August 2024KreativwirtschaftWissenVerantwortungDesignKreativität
© Tirol Werbung | Rene Zangerl

Würde man jemanden bitten, eine Liste mit kreativen Berufen zu erstellen, so fände man den Begriff „Grafikdesigner“ vermutlich relativ weit oben in der Aufzählung. Aber wie viel Platz für Kreativität bleibt eigentlich in einem Beruf, in dem es darum geht, komplexe Zusammenhänge mittels Typografie, Bild, Farbe und Material visuell zu vereinfachen und zu kommunizieren? Klingt das nicht mehr nach einem analytischen, konzeptionellen Beruf?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, werfen wir einen Blick auf den wohl bekanntesten Vertreter seiner Zunft hierzulande. Denn Grafikdesign in Tirol ist untrennbar mit dem Namen Arthur Zelger verbunden. Er gilt als absoluter Vorreiter auf diesem Gebiet und bis heute als bedeutendster Grafiker Tirols. Leider können wir ihm unsere Fragen nicht mehr selbst stellen. Dafür haben wir mit seiner Tochter Nicola Schlachter-Zelger gesprochen.

Frau Schlachter-Zelger, fallen wir gleich mit der Tür ins Haus: Muss ein Grafiker kreativ sein?

Kreativität – die Fähigkeit etwas zu erschaffen, schöpferisch tätig zu sein, eigene, neue Lösungen für Probleme zu finden, ist natürlich eine Voraussetzung für einen sogenannten künstlerischen Beruf wie den eines Grafik Designers – und mein Vater Arthur Zelger war sicher ein sehr kreativer Mensch.

Täusche ich mich, oder höre ich hier ein ‚aber‘ raus?

Ja, denn mein Vater hat sich nicht als Künstler gesehen. Er war – wie es zu Beginn seiner Berufslaufbahn hieß – Gebrauchsgrafiker. Das heißt, seine Arbeiten entstanden im Auftrag von Kunden. Sie mussten eine Funktion erfüllen, eine Botschaft vermitteln, eine Stimmung, einen Wunsch wecken, eine Reaktion auslösen.

Sie sagen aber, ihr Vater war trotz allem ein kreativer Mensch. Was meinen Sie damit?

Mein Vater war vor allem ein sehr musischer Mensch und ja, ausgesprochen kreativ. Kreativ sein ist eine Begabung, die man aber, wie er immer sagte, fördern kann und muss: Mit offenen Augen durch die Welt gehen, neugierig sein, Dinge, Situationen bewusst wahrnehmen, auf sich wirken lassen, analysieren, sich inspirieren lassen. Man muss nicht alles neu erfinden, vieles ist schon da und will nur neu kombiniert, interpretiert werden.

Inwiefern ist diese Sichtweise in Arthur Zelgers Arbeiten eingeflossen?

Das Interesse und die Neugier am Dasein und an seiner Umgebung hat meinen Vater sein ganzes Leben begleitet und ihn und seine Arbeit jung bleiben lassen. Das Tirol Logo, das auch nach 50 Jahren nichts an seiner traditionsreichen Zeitgeistigkeit eingebüßt hat, ist ein Beleg dafür.

Neben dem Tirol Logo, prägten auch viele seiner anderen Werke das grafische Erscheinungsbild des Landes. In den Fremdenverkehrsgemeinden gehörte es quasi „zum guten Ton“, mit einem Zelger-Plakat zu werben. Was war sein Erfolgsgeheimnis?

Kreativität allein ist zu wenig für gute Lösungen. Seiner Meinung nach und seinem Naturell entsprechend durfte auch eine Prise Humor nicht fehlen. Damit Grafik Design funktioniert, braucht es aber vor allem auch strukturiertes, logisches Denken, um die optimale Idee zu entwickeln. Mein Vater bezeichnete die Jahre am humanistischen Gymnasium immer als ideale Grundlage für seine Arbeit als Grafiker.

Nicht zuletzt verlangt die Umsetzung einer Idee ein hohes Maß an Virtuosität gepaart mit dem Ringen um die bestmögliche grafische Lösung. Es geht um handwerkliches Können und um das Wissen um die unumstößlichen Gesetze der Gestaltung und Typographie – das Wort Fleiß drängt sich auf.